Bei der ersten Infoveranstaltung der Stadt Pforzheim zum Thema Geflüchtete haben sich über 100 Bürgerinnen und Bürger aus Brötzingen, dem Arlinger und der Weststadt über die aktuelle Flüchtlingssituation in Pforzheim informiert. Dabei ging es auch um die Überlegungen des Landes Baden-Württemberg zur Einrichtung einer Erstaufnahmestelle (EA). „Das Thema bewegt verständlicherweise die Gemüter der Menschen in Pforzheim. Deshalb ist es mir so wichtig, darüber offen und ehrlich mit den Pforzheimerinnen und Pforzheimern zu sprechen“, erklärte der Oberbürgermeister, der sich durch den regen Zuspruch am Mittwochabend in der Ringer-Halle bestätigt sieht.
In seiner Begrüßung unterstrich das Stadtoberhaupt nochmals die Dramatik der aktuellen Situation, die nicht nur Pforzheim, sondern auch viele weitere Kommunen in Baden-Württemberg und ganz Deutschland an die Belastungsgrenze führe. „Als Oberbürgermeister ist es meine Aufgabe, vorauszuschauen, Herausforderungen klar zu benennen und nach Lösungsansätzen zu suchen. Eine EA mit dem damit verbundenen EA-Privileg könnte ein solcher sein, deshalb will ich darüber mit den Bürgerinnen und Bürgern, dem Gemeinderat und den weiteren städtischen Gremien transparent diskutieren“, so Boch. Dazu dienen auch die Informationsveranstaltungen, die in den kommenden Wochen im Stadtgebiet und den Ortsteilen stattfinden werden. „Am Ende entscheidet der Gemeinderat in seiner Sitzung am 4. April, ob eine EA eine Option für Pforzheim ist oder nicht“, hielt der Oberbürgermeister fest.
Nach einer Präsentation über die Flüchtlingssituation in Pforzheim von Joachim Hülsmann, Leiter des Jugend- und Sozialamtes der Stadt Pforzheim, informierten Jochen Zühlcke und Carolin Speckmann vom Regierungspräsidium Karlsruhe über das Betriebskonzept von Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Baden-Württemberg. Im Anschluss stellte sich eine Expertenrunde den Fragen der anwesenden Bürgerinnen und Bürger. Die Runde bestand aus Oberbürgermeister Peter Boch, Sozialbürgermeister Frank Fillbrunn, Jochen Zühlcke und Carolin Speckmann vom Regierungspräsidium Karlsruhe, dem ehrenamtlichen Ombudsmann für die Flüchtlingserstaufnahme in Baden-Württemberg Klaus Danner, Andre Schöttle vom Polizeipräsidium Pforzheim sowie Taoufek Morad aus dem Internationalen Beirat der Stadt Pforzheim, der selbst aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist.
Im Raum standen unter anderem Fragen zur Entwicklung des betroffenen Stadtteils, um nicht nur die Geflüchteten besser integrieren zu können, sondern auch die Aufenthaltsqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort zu verbessern. „Es gibt verschiedene Überlegungen, den Stadtteil zu entwickeln und aufzuwerten. Wir stehen hierzu auch im Austausch mit dem WSP, um beispielweise Pop-up-Stores zu ermöglichen“, beschrieb Boch. Gerade im Bereich der Integration und Kinder- und Jugendarbeit müsse mehr getan werden, auch unabhängig von einer EA. Bürgermeister Fillbrunn ergänzte: „Das ist unter anderem eine Frage der Leistungsfähigkeit. Überforderung droht auch im sozialen Bereich. Gerade um dem vorzubeugen, ist die EA eine denkbare Option.“ Taoufek Morad forderte mehr Zusammenhalt der Stadtgesellschaft und rief dazu auf, mit öffentlichen Aktionen ein gegenseitiges Kennenlernen zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Flüchtlingen zu ermöglichen und so das Verständnis füreinander zu stärken. Mehrere Teilnehmende zeigten Interesse daran, sich ehrenamtlich am Betrieb der EA zu beteiligen.
Andere Bürgerinnen und Bürger äußerten Bedenken, wie es mit einer EA um die Sicherheit im Stadtteil bestellt wäre. Andre Schöttle vom Polizeipräsidium Pforzheim erklärte, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge nicht kriminell sei und Pforzheim laut Statistik trotz hohem Migrantenanteil der viertsicherte Stadtkreis in Baden-Württemberg sei. Ombudsmann Klaus Danner pflegte bei, dass die meisten Straftaten innerhalb der Einrichtung passieren würden. „Es wird ein Sicherheitskonzept geben, das nicht nur das Umfeld der EA, sondern auch die Innenstadt umfasst, sich also nicht nur auf einen Bereich konzentriert“, so Schöttle. Die Polizei werde zudem situationsbedingt reagieren, zum Beispiel durch engere Kontrollen. Taoufek Morad merkte an: „Auch Geflüchtete haben Angst um ihre Kinder. Wir reden hier von Menschen, die aus verschiedenen Gründen ihre Heimat verlassen haben – viele von ihnen nicht freiwillig.“
Eine endgültige Entscheidung für oder gegen die Erstaufnahmeeinrichtung ist noch nicht gefallen. Sollte eine EA nach Pforzheim kommen, würden die Bedingungen – darunter die Höhe der Reduzierung der Zuteilungsquote, das Belegungsvolumen in der EA oder die Einrichtung eines Polizeipostens vor Ort – vertraglich festgelegt werden. „Sie können sich sicher sein, dass ich das Bestmögliche für die Stadt rausholen werde“, so der Rathauschef.
Auf die Infoveranstaltung im Brötzinger Tal folgen eine zentrale Veranstaltung in der Innenstadt sowie mehrere Infoabende in den Ortsteilen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema sind bereits unter www.pforzheim.de/asyl einsehbar. Die FAQs werden laufend ergänzt.