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Musterbücher und Kataloge der Pforzheimer Wirtschaft

Bei Bestellungen bitte ich beizusetzen: „nach dem Verzeichnis von 1855“.

Musterbücher sind im Grunde nichts anderes als Vorlagensammlungen. Die Anfänge liegen im 18. Jahrhundert, als bereits im größeren Umfang im Kunsthandwerk und in sogenannten Architekturbüchern modellhaft Stücke bildhaft präsentiert werden, die beliebig in Serie reproduziert werden konnten. Ein früher und namhafter Vertreter dieser neuen Verkaufsstrategie war Thomas Chippendale, der schon 1754 in England ein „Möbelbuch“ erstellte.

Bei einem Muster handelt es sich um ein Probestück. Beispielsweise wurden Stoffproben auf Kartons aufgeklebt und diese Musterkarten zu Büchern gebunden. Schon reduzierte sich der zeitliche Aufwand der Sichtung und Verkäufer konnten mit diesen Musterbüchern auch auf Reisen geschickt werden. Selbstverständlich wurden diese dann doppelt angelegt, eines für den Kunden und eines für den Kaufmann mit den Preisen und weiteren Hinweisen.

Wenn es nicht möglich war, Originalmuster oder Teile davon anzubieten, schafften Mitglieder eines neuen Berufsstandes Abhilfe. Musterzeichner, ein Ausbildungsgang, der auch an Gewerbeschulen Einzug hielt, fanden ab 1830 als Zeichner, Kupferstecher und Lithographen ihr Auskommen. Außer den handgezeichneten Modellen, die natürlich firmenintern den Ausgangspunkt bildeten und bilden, wurden die gezeichneten Musterbücher bald von gedruckten Exemplaren abgelöst, und um 1850 kann man so von illustrierten Katalogen sprechen. Musterbücher dienten also einerseits als Vorlagenbücher, andererseits als Produktkataloge. Ein schönes Beispiel hierfür stammt aus Pforzheim. Am heutigen Altstädter Kirchenweg 33 befand sich die Werkstatt von Christian Ferdinand Oechsle, der als „Mechanikus“ eine Vielzahl von chemischen und physikalischen Apparaturen herstellte. Die Präzisionsinstrumente waren sehr gefragt, und es lagen damals eine Vielzahl von Lob- und Dankesbekundungen vor, insbesondere aus dem universitären Bereich. Sein Sohn, Christian Ludwig Oechsle, brachte 1855 ein Verzeichnis heraus, in dem nicht weniger als 555 Geräte aufgelistet und grafisch dargestellt wurden. Darunter auch ein Telegrafenapparat, der heute noch im Museum für Kommunikation in Frankfurt a.M. zu besichtigen ist.

Die gezeichneten Musterbücher und Kataloge wurden in der Folge von Druckerzeugnissen abgelöst, in denen die Produkte abfotografiert wurden. Die Kataloge wurden immer vielfältiger und neben Hauptkatalogen erschienen Spezialkataloge für einzelne Produktgruppen. Handelsunternehmen, wie Warenhäuser, z. B. die „Paläste“ in Paris, gaben ebenfalls Verkaufskataloge heraus. In den USA entstanden schließlich um 1890 Versandkataloge, mit denen es den Verbrauchern ermöglicht wurde, die Waren ohne Zwischenhandel direkt zu beziehen. - Pforzheim kann ohne Übertreibung als eine Hochburg des Versandhandels bezeichnet werden. Firmen wie Klingel (Gründung 1925), Wenz (1926), Bader (1929) und andere nahmen am Wirtschaftswunder teil und sind bis heute sehr erfolgreich. Beispiele von frühen Katalogen aus den 1930er Jahren, die sich gegenüber den späteren kiloschweren „Wälzern“ geradezu als „Heftchen“ ausnehmen, sind hier abgebildet. Bei den älteren Pforzheimer Schülern waren Ferienjobs bei der Post, die das Versenden der Kataloge mit sich brachten, zwar beliebt, aber auch, wie am abendlichen Biertisch kundgetan wurde, sehr anstrengend.

Die frühen Musterbücher und später auch die Kataloge wurden teilweise mehrsprachig abgefasst oder gleich zielgerichtet für das jeweilige Land konzipiert. Gerade die hiesige Traditionsindustrie, die weltweit agierte, war darauf angewiesen, ihren Reisenden neben Musterkoffern entsprechende Unterlagen mitzugeben. Geschäftsreisen bis in die USA und Südamerika waren schließlich keine Seltenheit. Aber auch spezielle Kataloge für Weltausstellungen und Messen waren auf das dortige Publikum ausgerichtet und demonstrierten zudem die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Sie waren oft der Anknüpfungspunkt für die Verkaufsgespräche.

Insgesamt gesehen geben Musterbücher und Kataloge einen Überblick über die Breite und Tiefe eines Produktionsprogramms, und sind somit ein wichtiger Werbefaktor. Im Gegensatz zu den üblichen verkürzten Werbebotschaften kann der Kunde sich mit diesen Unterlagen ein umfassenderes Bild über den Hersteller machen. Die Abbildungen der Produktionsstätten tragen zudem zur angestrebten Corporate Identity bei. Heute vollzieht sich allerdings mehr und mehr der Wandel zum Warenangebot im Internet. Einzelne Firmen und große Konzerne wie Amazon verzichten dabei völlig auf Druckerzeugnisse. Inzwischen entwickelten sich alte Verkaufs- und Warenhauskataloge zu wertvollen Sammlerobjekten, vor allem da sie in den Anfangszeiten sehr aufwändig und künstlerisch gestaltet wurden. Sie erfreuen sich zunehmender Wertschätzung als alltagskulturelle Dokumente oder als Liebhaber-Ausgaben in Nachdrucken. Neben vielen Produkten, die sie beinhalten, sind sie selbst zum Sammelgut geworden.

Den kompletten Beitrag mit weiteren Abbildungen finden Sie zum Download in: Archivmagazin 2014/3, S. 5-7.