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Eine Vernunftehe – eine Adoption oder: Die Eingemeindung von Dillweißenstein am 1. Januar 1913

Die „Perle des Nagoldtals“ ist seit 100 Jahren ein Stadtteil von Pforzheim. Für die Dillweißensteiner war die Aufgabe der Selbstständigkeit eine unabdingbare Notwendigkeit.

Eine moderne Kanalisation und Kläranlage, die Energieversorgung und die Anbindung an das Pforzheimer Straßenbahnnetz waren Gemeindeangelegenheiten, die ohne fremde Hilfe nicht zu bewältigen waren.

Natürlich wollten die Pforzheimer nicht nur die finanziellen Lasten tragen, deshalb formulierte Oberbürgermeister Ferdinand Habermehl 1908 eine Denkschrift, in der beide Parteien nur als Gewinner vom Platze gingen.

Die Vorteile auf Pforzheimer Seite waren die erleichterte Bebauung des Rodgebiets. Der Rodrücken lag eigentlich auf Dillweißensteiner Gemarkung, jedoch besaßen dort viele Pforzheimer Grundstücke, nachdem Dillweißenstein 1872 zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Land verkaufen musste. Die bauliche Erschließung dieses Areals läge dann in einer Hand, und die Wasserversorgung wäre viel einfacher.

Bedeutende Vermögenswerte in Form eines unbelasteten Waldes kämen zu Pforzheim. Das Pforzheimer Naherholungsgebiet, vor allem der romantische Davosweg, wäre nicht durch eine Kläranlage verunstaltet. Das Projekt einer Wasserkraftanlage im Nagoldtal könnte von Pforzheim ohne Streitigkeiten zügig und effektiv umgesetzt werden.

Das Pforzheimer Stadtoberhaupt drängte angesichts der oben aufgeführten Probleme zu einer schnellen Einigung. Im April 1912 sprach sich der Pforzheimer Bürgerausschuss für die Eingliederung aus. Die zweite Kammer des badischen Landtags genehmigte am 29. Juli 1912 die Gesetzesvorlage, und so wurde laut Paragraph 1 die Gemeinde Dill-Weißenstein zum 01. 01. 1913 aufgelöst und mit der Stadtgemeinde Pforzheim zu einer einfachen Gemeinde vereint.

Eine der ersten Amtshandlungen war am 15. Januar 1913 die Änderung der Schreibweise des Gemeindenamens von Dill-Weißenstein in Dillweißenstein (Stadtarchiv Pforzheim Bestand C 2 Nr. 22). Auf den ersten Blick ein unbedeutendes Detail, angesichts des nicht immer einfachen Verhältnisses der Gemeindeteile Dillstein und Weißenstein ein Schritt in eine neue Einheit. „Dillsteiner“ oder „Weißensteiner“ zu sein, ist auch heute noch manchen wichtig. Im Jahre 1836/38 beantragte der Weißensteiner Bürgerausschuss sogar die Trennung der Teilorte, was allerdings das badische Innenministerium am 15. Juni 1838 ablehnte.

Die neuen Pforzheimer mussten bei der Umsetzung ihrer Ziele und Hoffnungen teilweise viel Geduld aufbringen. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges verschob zum Beispiel den Bau der Straßenbahn bis ins Jahr 1927. Der Chronist Oskar Webel kann nach ihrer Einweihung zu folgendem Resümee:

Je mehr der seit einer Reihe von Jahren, eingemeindete Ort sich die Züge seiner zweiten Mutter zu eigen macht, desto mehr treten seine natürlichen Schönheiten zu Tage.

[…]

Jetzt umschlingen sich die Hände zwischen Mutter und Adoptivkind inniger. Die elektrische Straßenbahn hat dieses dem Herzen der Ersteren näher gebracht, und unter dem angelegten Schmuck neuer Straßen, sowie Anlagen an ihnen und in dem Naturpark des vorgelagerten Tales erblühen aufs Neue die natürlichen Reize dieser Perle des Nagoldtales.

Der Pforzheimer Generalanzeiger druckte am 2. Januar 1913 das nachstehende Gedicht ab, nachdem er von der „Dillweißensteiner Abschiedsfeier“ berichtete:

Pforte des Schwarzwalds, wie bist du so schön,

Wo hoch auf den Felsen die Burgen stehn,

Wo die Bogenbrücke zieht über das Tal

Und unten braust der Wasserfall,

Wo der schäumende Gischt im Sonnenschein blinkt,

Die Nagold rauschend die Berge umschlingt,

Wo unten im Tal die Mühlräder sich drehn,

Die alten Eichen am Berge stehn:

Dort ist meine Heimat, im traulichen Heim,

bei Dir nur mein schönes Dill-Weißenstein.