Die Pforzheimer Stadtratsprotokolle des Jahres 1783
Ob unsere öffentlichen Stellen in einem schlechten Zustand sind, wird uns manchmal erst dann bewusst, wenn Probleme, Krisen oder gar Skandale auftreten. Läuft alles gut, dann langweilt uns das beinahe. Wie gut die Pforzheimer Stadtverwaltung im 18. Jahrhundert war, wissen wir nicht. Offenbar war der Zustand der Aktenführung zumindest zeitweise nicht gerade vorbildlich, denn der Landesherr, Markgraf Karl Friedrich von Baden, musste seinen Pforzheimern im Jahre 1788 die Ordnung von Registratur und Archiv befehlen. So scheinen nicht nur die kriegerischen Katastrophen von 1689 und 1945 zum Verlust wichtiger und aussagekräftiger Dokumente geführt zu haben, sondern auch der allgemeine Schlendrian. Das ist bedauerlich, denn die Handlungen vergangener Tage können uns nützliche Hinweise für unsere heutigen Entscheidungen liefern.
Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass die Sammlung der Pforzheimer Stadtratsprotokolle des Jahres 1783 beides überlebt hat. Jedoch hat auch dieser Protokollband einiges erlitten – so wurden manche der ausgefransten Seitenränder abgeschnitten, wodurch einige der handschriftlichen Aufzeichnungen verloren gingen. Zudem deuten ein unvollständiger Protokolleintrag, leere Seiten und eine uneindeutige Randnotiz darauf hin, dass einige Protokolleinträge vergessen oder vielleicht sogar entfernt wurden.
All dies schmälert die Bedeutung der Protokolle als bedeutende Quelle zur Pforzheimer Stadtgeschichte in keiner Weise. Auch um dieser Bedeutung gerecht zu werden, hat das Stadtarchiv Pforzheim den Protokollband nun digitalisiert und in Teilen transkribiert. Die Ergebnisse können sowohl im Lesesaal des Stadtarchivs als auch im Internet eingesehen werden.
Die einzelnen Tagesordnungspunkte decken die ganze Bandbreite des damaligen Pforzheimer Alltags- und Berufslebens ab. Für den „Burgermeister“ und die „Ratsverwandte“ genannten Mitglieder des Stadtrates gilt es Neubürger aufzunehmen, Schulbücher, Holz und Almosen zu spenden, Brunnen und Wasserleitungen zu bauen, Laternen und Ampeln zu füllen, die städtischen Mühlen zu begutachten, Streitigkeiten zu schlichten, Ordnungswidrigkeiten zu bestrafen oder das Geld der Stadtkasse anzulegen. Die Auer Brücke und der Brötzinger Weg (die heutige Westliche) müssen ausgebessert werden. Die Wundärzte beschweren sich über Berufsfremde, und die seit Kurzem in Pforzheim wieder zahlreicher werdenden Katholiken möchten ein Bethaus errichten. Eine Metzgersgattin will zwei Sorten Fleisch verkaufen, eine Schuhmacherswitwe keine Gewerbesteuer mehr bezahlen, das Archiv Fenster haben. Über all die vorgebrachten Punkte entscheidet schließlich der Stadtrat in seinen meist wöchentlichen und vorwiegend montags erfolgenden Treffen.
Niedergeschrieben wurden die Sitzungsprotokolle wohl stets von einem Ratsschreiber. Er war es vermutlich auch, der die einzelnen Betreffe in einem Index zugänglicher gemacht hat. Dieser Index wurde vom Stadtarchiv komplett transkribiert, dazu unter anderem 19 ausgewählte besondere Tagesordnungspunkte. Eine Auswahl heute nicht mehr gebräuchlicher Ausdrücke wird im Anhang erläutert, so beispielsweise Deuchel (hölzernes Wasserrohr), Eheliebstin (Gattin), Geschwei (durch Verschwägerung Verwandte) oder Hummel (Zuchtstier).
Im Gegensatz zu Städten wie Augsburg oder Luzern, in denen die Stadtratsprotokolle bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen, setzt die Überlieferung der Pforzheimer Stadtratsprotokolle dann leider erst wieder 1944/1945 ein. Die bis dahin stets nichtöffentlichen Sitzungen unterschieden seit 1947 in öffentliche und nichtöffentliche Betreffe, was auch zu einer getrennten Protokollführung führte. Die Niederschriften zu den älteren Sitzungen können im Stadtarchiv eingesehen werden. Unterlagen zu aktuellen Sitzungen werden mittlerweile auch online in einem digitalen Bürgerinformationssystem dokumentiert. Die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats und seiner verschiedenen Ausschüsse sowie die der fünf Ortschaftsräte können aber weiterhin von allen Einwohnerinnen und Einwohnern auch direkt aufgesucht werden.