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OB Peter Boch knüpft Zustimmung zu einer Erstaufnahmestelle an 100-prozentiges „LEA-Privileg“

Willensbekundung des Gemeinderats soll am 4. April abgegeben werden

Oberbürgermeister Peter Boch und Sozialbürgermeister Frank Fillbrunn schlagen dem Gemeinderat vor, in seiner Sitzung am 4. April 2023 eine Willensbekundung zu einer möglichen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Baden-Württemberg abzugeben. Die Vorlage ist dabei so formuliert, dass die Stadträtinnen und Stadträte zwischen zwei Ziffern wählen können. Ziffer A befürwortet eine weitere ergebnisoffene Prüfung der Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete im Brötzinger Tal durch das Land sowie die Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Stadt Pforzheim und dem Land Baden-Württemberg über die Modalitäten einer solchen Einrichtung (Kapazitätsgrenze, Sicherheitsaspekte etc.). Entscheidend dabei ist, dass die Stadt Pforzheim in diesem Zusammenhang nun eine 100-prozentiges LEA-Prinzip – und damit faktisch einen Aufnahmestopp für das Gros der Asylbewerber – zur Voraussetzung für die Einrichtung einer EA macht. Die endgültigen Ergebnisse der Verhandlungen werden dem Gemeinderat zur erneuten Beratung und Beschlussfassung vorgelegt.

Ziffer B spricht sich gegen die Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Pforzheim aus. Der Oberbürgermeister würde damit beauftragt, dies dem Land Baden-Württemberg mitzuteilen. Bei beiden alternativen Beschlussziffern handelt es sich jeweils um eine Willensbekundung, die die Mehrheitsauffassung des Gemeinderats zum Ausdruck bringt, jedoch nicht rechtlich bindend ist. Allerdings hat das zuständige Justizministerium mehrfach betont, dass noch keine EA oder LEA in einer Kommune eingerichtet wurde, die einer solchen Einrichtung nicht zugestimmt hat.

OB Peter Boch möchte Aufnahmestopp für Asylbewerber zur Voraussetzung für eine EA machen

Bislang hatte das Land Baden-Württemberg für die Realisierung einer EA die Reduzierung der Zuweisung von Geflüchteten um 80 Prozent im Verhältnis zum aktuellen Zuweisungsschlüssel beispielhaft genannt. Oberbürgermeister Peter Boch zeigt sich nach vielen intensiven Gesprächen der vergangenen Wochen mit Bürgerinnen und Bürgern, sowie Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft überzeugt, dass dies für eine Stadt wie Pforzheim mit sehr hohem Migrationsanteil nicht ausreicht. „Auch andere Städte mit Landeserstaufnahmestellen – wie beispielsweise Karlsruhe – profitieren von einer 100-prozentigen Reduzierung der Zuweisungsquote“, betont der Rathauschef. „Wir wollen hier eine Gleichbehandlung, insbesondere um uns in unserer Integrationsarbeit auf die Menschen konzentrieren zu können, die bereits hier leben.“ Der gesamtgesellschaftliche Diskussionsprozess der letzten Wochen habe gezeigt, dass ein faktischer Aufnahmestopp von Asylsuchenden auch eine höhere gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für die Einrichtung einer EA schaffen könnte. Der OB hat daher bereits in den aktuellen Gesprächen mit dem Ministerium unmissverständlich kommuniziert, dass aus seiner Sicht die Realisierung einer EA in Pforzheim nur mit einem LEA-Privileg von 100 Prozent einhergehen kann.

Sozialbürgermeister Frank Fillbrunn unterstützt den Ansatz: „Die besondere Situation Pforzheims als internationale Stadt mit hohem Migrationsanteil muss auch eine besondere Berücksichtigung durch das Land Baden-Württemberg erfahren. Dies haben wir auch unabhängig von der Diskussion über eine Erstaufnahmestelle immer wieder deutlich gemacht.“ Beiden Bürgermeistern ist es wichtig, die Bürgerschaft „bei allem, was jetzt entschieden wird“ mitzunehmen.

Klar sei aber auch, dass die Stadtverwaltung in der Einrichtung einer Erstaufnahmestelle nach wie vor eine realistische Chance sieht, die Zuweisungen von Asylbewerbern auf null zu reduzieren. Dies zeigen auch folgende Modellrechnungen, die zugewiesene Asylsuchende nicht aber ukrainische Geflüchtete berücksichtigt: Geht man davon aus, dass Pforzheim in den nächsten Jahren jeweils so viele Geflüchtete zugewiesen werden wie im Durchschnitt der letzten drei Jahre (2020-2022), ergäbe sich ein Wert von 214 Zuweisungen, der als jährlicher Basiswert angenommen wird. Nach 6 Jahren wären folglich ohne LEA-Privileg Zuweisungen von 1284 Geflüchteten erfolgt. In einer pessimistischeren Annahme, die auf der aktuellen Zuweisungssituation beruht, wären es sogar 1344 Geflüchtete innerhalb von nur vier Jahren. Bei dem von der Verwaltung geforderten LEA-Privileg von 100 Prozent ergäbe sich stattdessen eine jährliche Zuweisung von null Personen.