Das Stadtarchiv erhält erneut eine Förderung aus dem Sonderprogramm der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Erhaltung national wertvollen schriftlichen Kulturguts.
Damit wird das Stadtarchiv schon im vierten Jahr in Folge mit Geldern aus dem zuletzt stark überzeichneten Sonderprogramm Bestandserhaltung bedacht. Wie schon 2020 und 2022 werden die Mittel für die Papierentsäuerung im Mengenverfahren eingesetzt, dieses Jahr für das Projekt Originale dauerhaft erhalten! Massenentsäuerung der amtlichen Bestände des Stadtarchivs Pforzheim (Rechtsamt, Stadtwerke, Elektrizitäts- und Wasserwerk Eutingen). Die Fördersumme von 23.000 Euro deckt dabei die Hälfte der Projektkosten und erweitert so die finanziellen Möglichkeiten des Stadtarchivs beträchtlich. Das ist wichtig, denn je früher säurehaltiges Papier einer Entsäuerung unterzogen wird, desto effektiver und nachhaltiger ist die Behandlung.
Säurehaltiges Papier hat bedingt durch Herstellungsverfahren und Rohstoffeinsatz einen vergleichsweise niedrigen pH-Wert, der sich in besonders extremen Fällen auf ähnlichem Niveau bewegt wie Essig oder saurer Regen. Dieses Papier vergilbt und wird rasch spröde, so dass der Zerfallsprozess schon nach wenigen Jahrzehnten deutlich sichtbar wird. Um die Zerstörung zu verhindern, dürfen betroffene Archivalien nicht mehr benutzt werden. Die Entsäuerung stoppt den Zerstörungsprozess und trägt zur Stabilisierung des Papierzustands bei, so dass das Archivgut auch für kommende Generationen benutzbar bleibt. Die Herstellungsverfahren, die zu säurehaltigem Papier führen, wurden Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt; besonders Papiere aus der Zeit zwischen 1914 und den 1980er Jahren sind von schlechter Qualität und stark vom Zerfall bedroht.
Der Schwerpunkt der Überlieferung des Stadtarchivs Pforzheim liegt in der Zeit nach 1900. In der Vergangenheit haben Kriege, Brände und die Bombardierung der Stadt im Februar 1945 fast die gesamte mittelalterliche und frühneuzeitliche Überlieferung Pforzheims vernichtet. Umso wichtiger ist es für die Stadtgesellschaft, das verbliebene schriftliche Kulturerbe zu bewahren.
Für das Stadtarchiv Pforzheim ist dabei der säurebedingte Papierzerfall der größte Gegner. Der größte Teil des Archivguts der Stadt ist zwischen 1900 und den 1980er Jahren entstanden, also in dem Zeitraum, der für eine besonders schlechte Papierqualität bekannt ist und die Entsäuerung dringend notwendig macht. Die meisten unsere Bestände enthalten zu großen Teilen Unterlagen, die einer Papierentsäuerung bedürfen. Unser Projekt Originale dauerhaft erhalten! Massenentsäuerung der amtlichen Bestände des Stadtarchivs Pforzheim ist eine Mammutaufgabe, die uns noch viele Jahre beschäftigen wird.
In diesem Jahr werden die Bestände Rechtsamt, Stadtwerke/Verkehrsbetriebe sowie Zweckverband Elektrizitäts- und Wasserwerk Eutingen entsäuert. Die Überlieferung der beiden letzteren reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert und gibt Auskunft zur Entwicklung der kommunalen Trinkwasser- und Energieversorgung, aber auch der Einrichtung des öffentlichen Personennahverkehrs. Damit öffnen diese beiden Bestände ein Fenster zur historischen Dimension vieler Fragen, die uns auch ganz aktuell beschäftigen: Wie kann die Energieversorgung sichergestellt werden? Woher soll das Trinkwasser für die Einwohner kommen? Wie kann die Mobilität für alle verbessert werden und welche Infrastruktur brauchen wir dafür? Damit Forschende auch künftig in den Protokollen, Denkschriften, Plänen und Akten dieser Bestände recherchieren können, werden sie nun entsäuert.
Der positive Förderbescheid bedeutet nicht allein eine Ausweitung der finanziellen Möglichkeiten des Stadtarchivs, sondern auch eine Würdigung der überregionalen Bedeutung des Pforzheimer Archivguts, an dessen Erhaltung laut Förderrichtlinien ein „erhebliches Bundesinteresse“ bestehen muss. Auch die Arbeit des Stadtarchivs erfährt durch die Zusage eine Bestätigung, denn die Bewilligung ist an strenge Maßstäbe bei Begründung, Qualität und Nachhaltigkeit geknüpft.
Vertiefte Einblicke in die Massenentsäuerung im Rahmen der Bestandserhaltungsstrategie des Stadtarchivs finden Sie im Archivmagazin Nr. 49/Juli 2023.