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Auf den Spuren französischer Zwangsarbeiter aus den Vogesen

Christian Claudel von Les Amis de Pforzheim recherchiert eine Woche in Pforzheim

Christian Claudel, Bernhilde Starck und Erika Kern
Wissenswertes über Zwangsarbeit in Pforzheim und die Nachkriegszeit erfuhr Christian Claudel von Bernhilde Starck und Erika Kern (v.l.n.r.; Foto: Deecke, Stadtarchiv Pforzheim).
Dr. Klara Deecke und Christian Claudel
Im Stadtarchiv recherchierte Christian Claudel mit Archivleiterin Dr. Klara Deecke nach den Spuren, welche die verstorbenen französischen Zwangsarbeiter in den Akten hinterlassen haben (Foto: Schmidt, Stadtarchiv Pforzheim).
Zeichnungen des Zwangsarbeiterlager im Eutinger Tal von Jean-Marie Lapierre
Der nun im Stadtarchiv archivierte Bericht über das Zwangsarbeiterlager im Eutinger Tal von Jean-Marie Lapierre enthält Lagepläne und Skizzen, u. a. von der Inneneinrichtung der Baracken (Stadtarchiv Pforzheim).

Am 8. November 1944 wurden über 600 Männer und Jungen aus dem französischen La Bresse und Umgebung nach Pforzheim verschleppt, der Ort in den Vogesen wurde systematisch zerstört. Während die Deportationen und Verwüstungen der deutschen Wehrmacht und Gestapo zur Bekämpfung von Partisanen diente, sollte die Arbeitskraft der Verschleppten durch Zwangsarbeit ausgebeutet werden, u. a. in Pforzheimer Fabriken, bei der Stadtverwaltung oder in kleineren Handwerksbetrieben und in der Landwirtschaft. 18 von ihnen wurden beim Luftangriff am 23. Februar 1945 getötet. Weitere fünf verstarben an den Folgen oder aus anderen Ursachen. Das Protokoll der nichtöffentlichen Beratung der Pforzheimer Ratsherren vom 13. November 1944 vermerkt lapidar: „Der Vorsitzer gibt bekannt, daß am vergangenen Freitag etwa 500 rückgeführte Franzosen eingetroffen sind, die hier zum Arbeitseinsatz kommen sollen. Die Franzosen wurden zunächst in der Adolf-Hitler-Schule, in der Hermann-Göring-Schule und im Lager der Barackengemeinschaft untergebracht.“ (Stadtarchiv Pforzheim, B200-1). Für La Bresse und die in der Umgebung liegenden Dörfer war der November 1944 eine verheerende Katastrophe. Zwar wurde der Ort nach dem Krieg wieder aufgebaut, aber das Trauma, das La Bresse in diesem "Martyrium" , so der Titel eines zeitgenössischen Buches, das die Verbrechen dokumentierte, wiederfuhr, wirken bis heute in den betroffenen Familien nach. Umso wichtiger ist es, dass zwischen Pforzheim und La Bresse, Corniment und Ventron inzwischen seit vielen Jahrzehnten ein freundschaftlicher Austausch besteht.

Auch Christian Claudel hat Vorfahren, die 1944 aus La Bresse nach Pforzheim deportiert wurden. Mit seinem Verein Les Amis de Pforzheim pflegt er die Kontakte zwischen den Gemeinden in den Vogesen und der Stadt am Nordrand des Schwarzwalds, in Pforzheim in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Französischen Gesellschaft Pforzheim-Enzkreis und der Koordination Städtepartnerschaften im Rathaus. Schon seit geraumer Zeit setzt sich Christian Claudel intensiv mit den Biografien und Schicksalen der verschleppten Männer aus La Bresse und Umgebung auseinander. Les Amis de Pforzheim und das Stadtarchiv Pforzheim starteten dazu eine Kooperation. Anfang September 2021 arbeitete Christian Claudel nun eine ganze Woche im Stadtarchiv, besuchte historische Orte und knüpfte Kontakte zu Zeitzeugen.

Seine engagierte Spurensuche in Pforzheim wie in den Vogesen ermöglichten es Christian Claudel, dem Stadtarchiv zu Beginn seines Besuchs einen Zeitzeugenbericht samt deutscher Übersetzung zum Zwangsarbeiterlager im Eutinger Tal, dem sog. Italienerlager, zu übergeben, der auch Lagepläne und Skizzen enthält. Verfasst hat ihn Jean-Marie Lapierre, der damals als Siebzehnjähriger nach Pforzheim kam. Unterstützt wurde der Besuch von Christian Claudel durch die Deutsch-Französische Gesellschaft. Vorstandsmitglied Bernhilde Starck vermittelte auch den Kontakt zu Erika Kern, die Jean-Marie Lapierre als Fünfjährige im Lebensmittelladen ihrer Mutter in Eutingen kennen lernte und mit Jean-Marie Lapierre seitdem in Verbindung steht. Das Foto einer Vase, die Jean-Marie Lapierre bei einem Besuch 1966 schenkte, wurde im Nachgang dem Stadtarchiv übergeben. Bernhilde Starck ergänzte die Archivbestände um eine Zeichnung des Eutinger Sägewerks, die von einem Zwangsarbeiter angefertigt worden ist.

Recherchen in den Beständen des Stadtarchivs, darunter eine von den Lokalhistorikern Brigitte Brändle und Gerhard Brändle übergebene Materialsammlung zur Deportation und Zwangsarbeit der männlichen Einwohner der Vogesengemeinden, lieferten Les Amis der Pforzheim neue Mosaiksteine bei der Rekonstruktion der Biografien. Christian Claudel lernte in Pforzheim auch Georgij Kulikov kennen, den während des Zweiten Weltkriegs in Pforzheim geborenen Sohn einer ukrainischen Zwangsarbeiterin, der auf Einladung der Deutsch-Russischen Gesellschaft ebenfalls gerade Pforzheim besuchte. Mit zahlreichen Anregungen, Hinweisen und Ideen für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema reiste Christian Claudel am 6. September zurück nach La Bresse, wo die dort stattfindende Messe der lokalen Vereine sogleich Anlass bot, die Einwohner der Vogesengemeinde über den Besuch in Pforzheim und künftige Projekte zu informieren.