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Gundert, Hermann (evangelisch)

Hermann Gundert ist am 21.2.1876 in Mangalur/Ostindien geboren. Er ist Enkel des Indologen und Missionars Hermann Gundert und ab 1906 verheiratet mit Adele Hesse, der älteren Schwester von Hermann Hesse. Er ist ab 1907 Pfarrer in Hopfau bei Sulz, von 1919 bis 1930 in Höfen an der Enz, dann bis 1933 in Unterreichenbach und bis zur Pensionierung 1938 in Eckenweiler bei Horb. Bei den schon nicht mehr freien Reichstagswahlen am 5.3.1933 erhalten im Landkreis Calw, zu dem Höfen und Unterreichenbach gehören, die NSDAP 9 700 Stimmen, SPD* und KPD* jeweils ca. 1 100 Stimmen. Anschließend führen Polizei und SA Massenverhaftungen durch, allein in Calw sind über 40 KPD-Mitglieder von sogenannter „Schutzhaft“* im neu eingerichteten Konzentrationslager Heuberg betroffen. Der Abtransport von zwölf Kommunisten aus Unterreichenbach veranlasst Hermann Gundert, an den Dekan in Calw zu schreiben: Was haben diese Leute verbrochen, dass sie wie Verbrecher behandelt werden? Von keinem einzigen ist mir bekannt, dass er einmal sich in gemeingefährlicher Weise betätigt hätte. Jedenfalls sind sie um kein Haar schlimmer als so und so viele auf der anderen Seite.“

Hinzu kommt sein Erschrecken über die Äußerung des NSDAP-Gauleiters von Württemberg-Hohenzollern, Wilhelm Murr, am 15.3.1933: Wir sagen nicht Aug' um Auge, Zahn um Zahn, nein, wer uns ein Auge einschlägt, dem werden wir den Kopf abschlagen, wer uns einen Zahn ausschlägt, dem werden wir den Kiefer einschlagen.“

Das eigentliche Anliegen Gunderts ist jedoch Kritik an seiner Kirche: „Darf die evangelische Kirche dazu schweigen? Ist es nicht Pflicht der evangelischen Kirche, gegen solche Äußerungen und Maßnahmen der Brutalität, der Gewalttat und der Ungerechtigkeit öffentlich Zeugnis abzulegen? Ohne Rücksicht auf etwaige dadurch bedingte Schädigungen… Die evang. Kirche steht in Gefahr, das Vertrauen deren, die noch klar und nüchtern denken, zu verlieren, wenn sie nicht gegen solch unchristliches Gebaren öffentlich Zeugnis ablegt.“

Ein Vertreter des Oberkirchenrats bespricht diesen Vorfall und das Schreiben von H. Gundert mit Ministerialdirektor Gottlob Dill vom Innenministerium, der gleichzeitig Mitglied der NSDAP-nahen „Deutschen Christen“ ist; dieser meint, „man sei jedoch auf Abhilfe bedacht“.Mit diesem Vermerk versehen wandert das Schreiben am 18.5.1933 zu den Akten.

Hermann Hesse schreibt am 15.10.1934 an seinen Sohn Martin über die Situation seiner Schwester und ihres Mannes: „Aber für diePfarrer, also für Hermann und Adele, ist es eine schwere Zeit, sie erwarten jeden Tag ihr Amt und Brot zu verlieren.“ Diese Befürchtung ist nicht unbegründet:Pfarrer Friedrich Honecker - siehe dort - aus Schwann war schon 1933 kurzfristig in Haft; Pfarrer Heinz Kappes - siehe dort, strafversetzt nach Büchenbronn, wird Ende 1933 vom badischen Oberkirchenrat seines Amtes enthoben und dann von den braunen Machthabern des Landes verwiesen; Pfarrer Hermann Umfried in Niederstetten bei Bad Mergentheim, der 1933 gegen antisemitische Ausschreitungen predigt und dafür eine Rüge vom Oberkirchenrat erhält, flieht 1934 in den Tod.

Ob sich Hermann Gundert in der Bekenntnisgemeinschaft engagiert, muss offen bleiben, für die Jahre 1938 bis 1945 gibt es keine Überlieferung; Repressalien gegen ihn und seine Frau Adele in der Nazi-Zeit sind nicht bekannt.

Er stirbt 1956 in Korntal-Münchingen.


 

Quellen:

Schnabel S. 404 f.;

Sauer, Paul, Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus, Ulm, 1975, S. 30;

Hesse, Hermann, Sämtliche Werke, Bd. 15, Frankfurt, 2004, S. 438