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Schottmüller, Oda (Kriegsgegnerin)

Oda Schottmüller ist am 9. Februar1905 in Posen geboren. Der Vater, Kurt Schottmüller, stirbt 1919, die Mutter Dorothea will ihre Tochter nicht selbst erziehen. Die Tanten Frida und Gerda Schottmüller kümmern sich um sie und bringen sie von Danzig nach Berlin, wo sie im Lyzeum Berlin-Lichterfelde 1921 das Einjährige, die heutige Mittlere Reife erreicht. Von 1922 bis 1924 besucht sie die Odenwaldschule bei Heppenheim, ein reformpädagogisch geprägtes Landerziehungsheim, bis zum Abitur. Anschließend absolviert sie auf Druck der Familie eine kunsthandwerkliche Ausbildung. An der Kunstgewerbeschule in Pforzheim an der Holzgartenstraße lernt sie von Dezember 1924 bis Mitte 1925 neben Zeichnen und Modellieren verschiedene Techniken zur Fertigung von Schmuck und Gebrauchsgegenständen, zu denen auch das Emaillieren gehört. In ihrem Arbeitsbuch lautet der Eintrag „Edelmetallfachschule Pforzheim“.Danach lernt sie bis 1926 an der Kunstgewerbeschule Frankfurt Töpfern und Emaillieren, dann ist sie bis 1928 an der Kunsthochschule in Berlin.

Sie beginnt erst im Jahr 1928 mit der erträumten tänzerischen Ausbildung in Berlin und studiert parallel dazu Bildhauerei im Verein Berliner Künstlerinnen, später an der Schule des Bauhauskünstlers Johannes Itten. 1934 ist sie im Theater am Kurfürstendamm mit ersten Soloauftritten erfolgreich, sie präsentiert sich in Ausdruckstänzen als Gesamtkunstwerk mit selbstentworfenen Kostümen und Masken aus Holz.

Ihre Beziehung zu dem Bildhauer Kurt Schumacher bringt sie Ende der 30er Jahre in Kontakt mit dem Berliner Freundes- und Widerstandskreis um Harro Schulze-Boysen. Sie gibt Flugschriften weiter, hilft rassistisch und politisch Verfolgten wie z.B. 1939 dem Kommunisten* Rudi Bergtel.Gleichzeitig verdient sich Oda Schottmüller ihren Lebensunterhalt, indem sie an Wehrmachtstourneen in Holland, Frankreich und Italien teilnimmt.

Im Spätsommer 1942 verhaftet die Gestapo über 120 Personen und ordnet sie dem Ermittlungskomplex „Rote Kapelle”* zu. Oda Schottmüller wird vorgeworfen, ihr Atelier für Funkversuche nach Moskau zur Verfügung gestellt zu haben. Obwohl ihr dies nicht nachgewiesen werden kann, verurteilt das Reichskriegsgericht sie zum Tode.

Am 5. August 1943 um 19.18 Uhr ermorden die Nazis Oda Schottmüller im Strafgefängnis in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil - mit ihr an diesem Abend 15 weitere Mitglieder der „Roten Kapelle“ innerhalb von 45 Minuten. Die Leichen werden der Anatomie in der Charité übergeben. Es existieren keine Gräber.

In einem ihrer letzten Kassiber nach dem Todesurteil am 26. Januar 1943 schreibt sie: „Todesfurcht oder so ähnlich habe ich gar nicht, nur ein bisschen Mitleid mit meiner Neugier. Ich hätte doch zu gerne gewusst, wie das alles weitergeht... Mich reut nichts, was ich getan habe. Ich machte es gerade so noch einmal, wenn ich zu wählen hätte.“

Die letzten Worte von Oda Schottmüller weisen in die Zukunft: „Zwar verrückt - aber ich werde mir heut noch mal die Haare mit eigenen Locken wickeln, etsch. Dann werde ich genießen, eine große Schachtel Pralinen... Ich sterbe mit gutem Gewissen. Ob das unsere Herren Richter von sich auch einmal sagen können?“

Manfred Roeder, der „Hauptankläger“ von Oda Schottmüller, beruft sich nach dem Krieg auf seine „Dienstpflicht“, wird von seinen Kollegen Richtern freigesprochen, hat unbescholten als Anwalt gewirkt und ab 1963 im hessischen Glashütten seine Pension als Generalrichter verzehrt: „Ich fühle mich völlig unschuldig. Ich habe als deutscher Richter meine Pflicht getan“. In seinem Buch „Die Rote Kapelle. Aufzeichnungen des Generalrichters Dr. M. Roeder“ (Hamburg 1952), diffamiert er die Mitglieder der Widerstandsgruppe als Landesverräter und Spione.

 

* Rote Kapelle: Bezeichnung der Gestapo für verschiedene Widerstansgruppenwie z.B. der Freundeskreis um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack. Die verschiedenen Gruppen des Netzwerkes druckten illegale Flugblätter, halfen Juden und Oppositionellen und dokumentierten die Verbrechen des NS-Regimes.

 

Quelle:

Geertje Andresen: "Oda Schottmüller", Die Tänzerin, Bildhauerin und Nazigegnerin, 1905-1943, Lukas Verlag, Berlin 2006