Güß, Egon (evangelisch)
Egon Thomas Güß ist am 10.3.1902 in Konstanz geboren. Im April 1933 ziehen der damals 31-jährige Vikar Egon Thomas Güß und seine Frau in das evangelische Pfarrhaus in Stein ein. Der als "roter Vikar" Etikettierte kommt in eine konservativ-bäuerliche Gemeinde, kann aber durch Hausbesuche und die Art seiner Predigt bald das Vertrauen seiner Gemeinde erwerben.
Güß gehört zu den "Religiösen Sozialisten", einer Gruppe innerhalb der evangelischen Landeskirche, die den sozialen Auftrag der Kirche in den Mittelpunkt stellt und der SPD* und den Gewerkschaften nahesteht. Die "Religiösen Sozialisten" warnen früh vor dem Hakenkreuz, denn es bedeutet – so in einem beinahe prophetischen Aufruf: "Hass, Gewalttätigkeit, Recht des Stärkeren, Herrenmenschentum, Ausmerzung der Schwachen ... Völkerverhetzung und Krieg, Zerstörung und Untergang".
Konsequent erwidert Güß den "Deutschen Gruß" nicht, seine Gemeinde tritt im Oktober 1934 geschlossen der Bekennenden Kirche bei. Um der NS-Staatsaufsicht über die Finanzen zu entgehen, verzichtet die Gemeinde auf die Erhebung der Ortskirchensteuer und lebt wie eine Freikirche von den eigenen Kollekten. Gegen die Versuche des „Reichsbischofs“ Müller, die evangelische Kirche auf Nazi-Kurs zu bringen, fällt das Wort von Güß: „Der Bischof von Stein bin ich“.
Als im Nachbarort Königsbach die Juden in "arischen" Geschäften boykottiert werden, organisieren Steiner Bürger die Unterstützung mit dem Lebensnotwendigen. Jugendliche aus der Gemeinde nehmen Gestapo-Spitzeln mit Gewalt Predigt-Mitschriften ab: „Bei uns in der Kirche wird gebetet und nicht geschrieben!"
1939 und 1940 besteht in Stein offiziell kein Kirchengemeinderat, denn dieser tritt aus Protest gegen die Einsetzung eines Aufsehers über die Gemeindefinanzen zurück. Der Vorsitzende der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat schreibt an die Gestapo: „Dazu kommt, dass die NSDAP in Stein nicht sehr zahlreiche Mitglieder hat, woran wohl der Pfarrer auch nicht ganz unbeteiligt ist. Ich ersuche deshalb die Geh. Staatspolizei ... zu prüfen, ob gegen Pfarrer Güß wegen seines die Volksgemeinschaft störenden Verhaltens nicht eingeschritten werden kann". Zwar gibt es Hausdurchsuchungen bei den Kirchenältesten, auch eine Verwarnung für Pfarrer Güß, der 1938 den Eid auf den "Führer" verweigert, aber sonst geschieht nichts.
Später urteilt Güß über diese Zeit: „Die Nazis machten ihre Geschäfte mit der Feigheit der anderen“.
Er stirbt 1991 in Karlsruhe.
Quellen:
Ausstellung;
Enzkreis 1995;
Simone Höpfinger: „Egon Thomas Güß: ein religiöser Sozialist und NS-Gegner“, in: Kunze, Rolf-Ulrich (HRSG), „Badische Theologen im Widerstand (1933 – 1945)“, Konstanz 2004;
Sander, Friedrich, „Steiner Heimatbuch“, Königsbach-Stein 1975