Erinnerungs- und Friedenskultur nehmen in Pforzheim einen wichtigen Stellenwert ein. Als eigenes Handlungsfeld in der kommunalen Kulturpolitik sind sie gerade in Zeiten tiefgreifenden Wandels und gesellschaftlicher Umbrüche Ausdruck städtischer und zivilgesellschaftlichen Bemühungen um ein friedliches Miteinander der Menschen vor Ort und der Welt.
Erinnerungs- und Friedenskultur stehen auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der UN Menschenrechtskonvention. Sie formulieren eine klare Absage gegen Krieg und Gewalt, Extremismus, Rassismus, Antisemitismus sowie jedwede Demokratie- und Menschenrechtsverletzung.
„Erinnern dient der Orientierung der Stadtgesellschaft in der Gegenwart und für die Zukunft.“
Die Formen friedenskultureller Aktivitäten und erinnerungskultureller Initiativen in Pforzheim sind vielfältig und pluralistisch. Neben Straßen- und Platznamen, Denkmälern und Gedenktafeln umfassen sie:
Ins kollektive Gedächtnis der Stadt Pforzheim eingeschrieben ist der 23. Februar als lokaler Gedenktag, der an die Zerstörung der Stadt am 23. Februar 1945 erinnert. Er wird alljährlich vom Arbeitskreis 23. Februar geplant. Die Koordination hat das Kulturamt inne. Neben das traditionelle Gedenken auf dem Hauptfriedhof sind inzwischen zahlreiche weitere, aus der Zivilgesellschaft heraus entwickelte Gedenkformate getreten, in denen sich die Vielfalt der Stadtgesellschaft abbildet, darunter das Abendgedenken mit dem Lichtermeer auf dem Marktplatz. Weitere, darunter mehrere nationale Gedenktage wie der Tag zum Gedenken an die Opfer des Holocaust oder die Reichsprogromnacht begeht die Stadt Pforzheim mit würdigen Erinnerungsritualen, in die zunehmend auch die junge Generation einbezogen wird.
Als Leitfaden der Friedenskultur in Pforzheim kann die 2021 verfasste „Erklärung zum 23. Februar“ gelten.
Weitere wichtige Gedenktage, zu denen die Stadt Pforzheim regelmäßig Veranstaltungen organisiert, sind der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, der Jahrestag der Deportation jüdischer Pforzheimerinnen und Pforzheimer nach Gurs 1940, der Jahrestag der Reichsprogromnacht 1938, der Volkstrauertag und der Jahrestag der Ermordung von Mitgliedern der Résistance der Gruppe Réseau Alliance in Pforzheim 1944.
Biografische Gedenkseiten für NS-Verfolgte aus Pforzheim
Von zivilgesellschaftlichen Initiativen wurden mit Unterstützung der Stadt Pforzheim mehrere digital zugängliche biografische Datenbanken bzw. Verzeichnisse erarbeitet, die für die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Pforzheim wesentlich sind und dazu beitragen, die Erinnerung an die verfolgten Menschen bewahren. Aktuell sind drei solcher Informationssysteme verfügbar:
1. Gedenkseite für ehemalige Pforzheimer jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Dokumentation der zwischen 1919 und 1945 in Pforzheim geborenen bzw. ansässigen jüdischen Bürgerinnen und Bürger und deren Schicksale
2. "Euthanasie"-Verbrechen der Nationalsozialisten an Menschen aus Pforzheim
3. Widerstand im Raum Pforzheim 1933 – 1945
Johannes Reuchlin
Mit Johannes Reuchlin und seinem beispielhaften Eintreten für Toleranz und Menschenrechte vor über 500 Jahren erinnert Pforzheim an den „größten Sohn“ der Stadt und einen Humanisten von europäischem Rang. Seine Bedeutung spiegelt sich im Museum Johannes Reuchlin an der Schloßkirche. Ferner in der seit 1955 in regelmäßigem stattfindenden Verleihung Reuchlinpreises, der auf Vorschlag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften verliehen wird. 2022 hat die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur den Reuchlinpreis erhalten. Im Fünfjahresrhythmus veranstaltet Pforzheim den internationalen Reuchlinkongress, zuletzt im Reuchlin Jubiläumsjahr 2022.
Woche der Brüderlichkeit
Als besonderes friedenskulturelles Format wird in Pforzheim alljährlich die bundesweite Woche der Brüderlichkeit begangen. Während sie andernorts auf den Christliches-jüdischen Dialog fokussiert, hat sich in Pforzheim daraus ein vielstimmiger Dialog mehrerer Religionsgemeinschaften entwickelt, bei dem muslimische und eine Alevitische Gemeinde mitwirken. Das Motto der Woche der Brüderlichkeit 2023 lautet: „Öffnet Tore der Gerechtigkeit. Freiheit - Macht - Verantwortung.