Die 60er Jahre waren unter baustofflichen Gesichtspunkten sicher nicht der letzte Schrei. Der Zahn der Zeit nagt an dem Beton jener Jahre offenbar ganz besonders. Zu besichtigen war dieser Umstand einmal mehr im Pforzheimer Wartberg-Freibad, unterhalb der Umkleidekabinen. Was die Mitglieder des Gemeinderats dort zu sehen bekamen, muss nachdenklich machen: massive Holzstützen, weil der verrostete Stahlbeton die schwere Last des Gebäudes nicht mehr tragen kann. Und die Not-Stützen werden von Jahr zu Jahr mehr. Im Winter sei dieser unterirdische Bereich wie eine Tropfsteinhöhle, alle zwei bis drei Jahre müsse das Stützholz ausgetauscht werden. Das Gestehungsjahr: 1964. Für Pforzheims Ersten Bürgermeister Dirk Büscher ist daher auch klar: „Das Gebäude ist abgängig, angesichts der maroden Substanz kommt nur noch ein Abbruch infrage; ich lasse gerade alternative Angebote einholen“.
Es ist auch die hohe Luftfeuchtigkeit, die dem Beton und seiner Stahlarmierung zu schaffen macht. Stahl, der nur wenige Millimeter unterhalb der Betonausssenhaut der jeweiligen Stützen liegt. Zu wenig, um auf Dauer diesen Bedingungen gewachsen zu sein. Und der sachkundige Ingenieur Marcus Elsässer ergänzt: „Viele der Bauteile können nicht mehr saniert werden. Bei manchen Stützen gibt es einfach nichts mehr zu sanieren“. Auch der Statiker hatte bereits vor Monaten entschieden: 2019 geht das noch einmal, aber dann ist Schluss. In der Zuhörerschaft ist von wirtschaftlichem Totalschaden zu hören. 2015 hätte eine Gesamtsanierung des Bades noch rund 6 Millionen Euro gekostet. Schon damals war das Geld knapp in Pforzheim. Und jetzt? Auch im Erdgeschoß- Bereich der Umkleide greift der Rost munter nach dem Beton. Ein unschönes und gefährliches Signal.
Ortswechsel: auch im unterirdischen Zwischengang zwischen Sportbecken und Sprungbecken sind die Zeichen des Verfalls nicht mehr zu ignorieren. Und spätestens jetzt geht es nicht mehr nur um die Umkleide-Situation im Wartberg-Freibad. Es geht natürlich um die gesamtstädtische Bädersituation. Und am Ende geht es immer um die Frage, mit welchen Geldmitteln welche Bäder finanziert und gestemmt werden können – all das wiederum unter dem Aspekt, dass den Interessen der Schulen, Vereine und Bürger Rechnung getragen wird. Bereits 2015 betrug die notwenigige Summe für alle Bäder zusammen 55 Millionen Euro. Das ist heute bestimmt nicht weniger.
Am Ende der Besichtigungstour kommt im Eingangsbereich des Bades eine Schwimmerin auf den Ersten Bürgermeister Büscher zu. Sie kritisiert die langen Zeiten in Pforzheim und preist gleichzeitig die Kombibad-Segnungen anderer Städte: ein heftig diskutierter Vorschlag der Verwaltung in Pforzheim, der bisher keine Mehrheit gefunden hat. Der Erste Bürgermeister versichert nachdrücklich mit einem Schmunzeln bei soviel Unterstützung: „die Dame habe ich nicht bestellt – aber sie hat recht“.